Wer hilft den Opfern?

Der diesjährige "Freedom in the World"-Bericht des Forschungsinstituts "Freedom House" weist bereits zum fünften Jahr in Folge auf einen alarmierenden Rückgang von Freiheit, Demokratie und Achtung der Menschenrechte weltweit hin. Während die Menschenrechte in den Diktaturen in Nordkorea, im Iran, in Syrien, Libyen und China mit Füßen getreten werden, dominieren den außenpolitischen Diskurs in Europa vor allem zwei Themen: die israelische Blockade des Gazastreifens und der von den USA geführte Krieg gegen Terror.


Die Gaza-Flottillen erhalten in Europa massive mediale Aufmerksamkeit - und dies, obwohl die Grenze zwischen Ägypten und dem Gazastreifen geöffnet ist und der Generalsekretär der Vereinten Nationen die Kampagne als "eine unnötige Provokation" bezeichnet hat. Es segeln keine Flottillen in Richtung Damaskus und Teheran, obwohl Amnesty International von 1400 Toten während des syrischen Aufstands gegen das Assad-Regime berichtet und die Islamische Republik Iran in diesem Jahr bereits 175 Menschen durch öffentliches Hängen oder Steinigung hingerichtet hat, darunter Frauen, Kinder und Homosexuelle. Niemand plant einen Boykott gegen die Türkei, ungeachtet der illegalen Besetzung Nordzyperns durch Ankara und der systematischen Verletzung von Menschenrechten in den Kurdengebieten.

Die Einseitigkeit des außenpolitischen Diskurses in Europa ist im Fall Nordkoreas besonders offensichtlich. Laut UN leiden dort 3,5 Millionen der 24 Millionen Einwohner unter akuter Unterernährung. Pjöngjang hat außerdem ein System von Strafgefangenenlagern errichtet, in denen Dissidenten systematischer Folter und Hunger ausgesetzt sind. Fluchtversuche werden mit Folter und Hinrichtung bestraft. Wäre die Gaza-Flottille durch altruistischen Humanismus motiviert, sähen wir auch mit Medizin und Hilfsgütern beladene Boote in Richtung Bengasi segeln. Schiffe mit oppositioneller Literatur und Laptops hätten für die demokratische Opposition in Havanna und Teheran Wunder bewirken können.

Wenn selbst ernannte europäische Menschenrechts- und Friedensaktivisten in Europa Erklärungen im Namen der Menschlichkeit abgeben und dabei die einzige Demokratie im Nahen Osten verurteilen, sollte man lieber genauer schauen, was dahintersteckt. Diese Statements sind mehr als fragwürdig im Hinblick auf die Verbreitung von Demokratie und Menschenrechten auf der Welt.
Daniel Schatz ist Doktorand in Politikwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin und Visiting Fellow am Stanford University